Podcast für den 21.07.2024 von Ruth Busch

 

Hinführende Gedanken

Liebe Cursillistas und Zuhörende unserer Audiobotschaften,

mein Name ist Ruth Busch und ich bin Mitarbeiterin im Cursillo in München sowie Prädikantin der ev. Kirche in Oberallershausen.

Hast du den Bibeltext von heute schon gelesen? Bevor du weiter hörst, lass dir den Bibeltext von mir in einer zweiten Audiodatei vorlesen oder lies selber in Lukas 15, 1-3.11b-32 über „Das Gleichnis vom Vater und seinen beiden Söhnen“

das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist bereits in vielerlei Weise gedeutet und ausgelegt worden. Verschiedene Interpretationen erscheinen beim ersten Blick naheliegend. Dies können sein:

  • Der Vater und die Söhne mit dem Thema „Der willkommen heißende Vater“ oder
  • Geschwisterneid und -streit mit den Fragen nach „Wer ist der erfolgreiche Sohn? oder „Wer ist mehr wert?“ oder
  • Umkehr auf den rechten Weg, Vergebung für Fehlverhalten und Reue.

Ja, dass könnte uns auf den ersten Blick ansprechen. Doch was ist bei einer so bekannten Geschichte schon ein erster Blick?

Ich finde es äußerst interessant in unserem ökumenischen Bibelkreis in Allershausen gerade bei bekannten Bibeltexten, wie unterschiedlich sie durch jeden Teilnehmenden wahrgenommen oder empfunden werden. Dabei versuche ich sowohl bei der Vorbereitung als auch im Bibelgespräch in mich hineinzuhören und zu spüren, was der Text heute mit mir macht. Mir hilft dabei auch das laute gemeinsame lesen.

Was spricht dich heute, jetzt gerade beim Hören der Audiobotschaft an? Worum geht es heute für dich in diesem Text?

Jeder von uns ist in einer anderen Lebenssituation, in einer anderen emotionalen Lage. Somit bedeutet der Text heute für jeden von uns vielleicht was anderes.

Ich richte heute meinen Blick auf eine Dimension in diesem Text, den ich bisher noch nicht so genau betrachtet habe. Ich schaue mir den Sohn an, der beim Vater geblieben ist.

Der ältere Sohn

Der ältere Sohn erlebt den Aufbruch seines Bruders als Ausbruch aus den familiären Strukturen. Das passt ganz und gar nicht in seine Lebensvorstellungen. Für ihn war, so wird er beschrieben, die Rolle am Hof des Vaters klar abgesteckt. Es ist für ihn ein sicherer Ort, seine Heimat. Er teilt das Leben mit seiner Familie. Wir wissen es nicht, aber vielleicht hätte auch er sich Mut für einen Aufbruch gewünscht. Oder es war ihm gerade recht, so wie es ist.

Heutzutage wissen wir, dass das Zusammenleben von verschiedenen Generationen unter einem Dach auch herausfordernd ist. Am gewohnten Ort bleiben, bringt auch Herausforderungen mit sich. Kompromisse und Absprachen zwischen den verschiedenen Generationen im Haus des Vaters können manchmal auch konfliktträchtig sein.

Heute lauten die Geschichten des daheim gebliebenen Sohnes etwa so wie bei Klaus:

Klaus ist jetzt schon knapp über dreißig und wohnt immer noch bei seinen Eltern. Seine Freunde ziehen ihn regelmäßig damit auf. Er hat in seinem Elternhaus eine eigene Wohnung, versorgt sich weitgehend selbst und freut sich über den angenehmen Luxus, wenn er von seinen Eltern zum Essen eingeladen wird. Er pflegt den PC seines Vaters und lädt die neuen Updates für die Smartphones seiner Eltern.

Sie leben eine gute Hausgemeinschaft. Er kann sich sogar vorstellen, mit seinem Partner irgendwann mal hier zu leben. Damals, als seine Schwester ausgezogen ist, hat er öfters überlegt, ob er auch an einen anderen Ort ziehen sollte, wenigstens ein paar Straßen weiter. Dann müsste er sich nicht mit den sonderbaren Angewohnheiten seiner Eltern herumschlagen. Aber unterm Strich ist es für ihn so besser. Am gewohnten Ort bleiben erfordert Mut. Bleiben kann gelingen, aber auch misslingen.

 

Der Vater und der ältere Sohn

Wieder zurück zum Gleichnis: Der Vater steht im Gleichnis seinen beiden Söhnen gegenüber. Er hört den Plänen seines jüngeren Sohns zu und lässt ihn ziehen. Wie es ihm dabei zumute war, wird nicht berichtet.

Die Zeit mit seinem älteren Sohn genießt der Vater offensichtlich. Er ist Teil seines täglichen Lebens. Gleichzeitig genießt sein Sohn alle Freiheiten auf dem Hof. Die Rolle des Vaters bringt Stabilität in die Familie. Er ist der Haltepunkt, auf den seine Söhne bezogen sind. Er steht für Heimat. Und zu dieser Heimat kehr der jüngere Sohn wieder zurück.

Wie fühlt sich aber der ältere Sohn, als er von dem Diener hört, dass das gemästete Kalb zur Feier des Tages geschlachtet wurde. Zur Feier für die Heimkehr des Bruders. In Vers 28 hören wir wie es dem Daheimgebliebenen geht:

„Da wurde der ältere Sohn zornig“

und weiter in Vers 29 heißt es

„Aber mir hast du noch nie einen Ziegenbock geschenkt,
damit ich mit meinen Freunden feiern konnte.“

Der ältere Sohn ist sauer. Ich kann das gut verstehen und als ich mit einer Freundin über diesen Bibeltext sprach, sagte sie, das ist ähnlich wie bei der Geschichte mit Maria und Marta (Lukas 10, ab Vers 38): Jesus kommt in das Haus von Maria und Marta. Marta kümmert sich um die Bewirtung und Maria ist ganz bei Jesus. In diesem Bibeltext hört es sich am Schluss so an, dass die pflichtbewusste Person etwas falsch gemacht hat.

 

Was mir da aber durch den Kopf geht – bei beiden Geschichten ist:

Wir können uns entscheiden

Jeder, ob der jüngere oder der ältere Sohn, ob Maria oder Marta, sie können sich entscheiden, was sie machen. Sie könnten auch sprechen. Der ältere Sohn hätte ja den Vater mal fragen können, ob er ein Ziegenbock bekäme oder spätestens jetzt, nachdem der Vater sagte in Vers 31 „Mein lieber Junge, du bist immer bei mir. Und alles, was mir gehört, gehört dir.“

Jetzt könnte der Ältere doch entspannt sein und mitfeiern. Er hat die Sicherheit selbst entscheiden zu können.

 

Der Vater lässt seinen beiden Söhnen Freiheit für ihre eigenen Entscheidungen. Sie haben die Freiheit, aufzubrechen oder zu bleiben. Und mit seinen ausgebreiteten Armen signalisiert er: Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst.

Im Gleichnis begegnet er auch dem älteren Sohn mit dieser offenen Haltung, auch wenn dieser das im ersten Augenblick nicht so verstehen kann.

 

Was bedeutet es für uns

Auch wir können uns jeden Tag entscheiden, was wir machen oder wem wir uns zuwenden wollen.

Auch wir spüren manchmal beides in uns, den Wunsch nach Aufbruch und die Sehnsucht nach Beständigkeit. Menschen brauchen die Freiheit, sich auf einen neuen Weg zu machen oder am gewohnten Ort zu bleiben.

Jesus spricht im Taufbefehl, in Matthäus 28 Vers 20:

„Seid gewiss: Ich bin immer bei euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt.“

 

Die Worte sind eine Zusage Gottes für uns getaufte Christinnen und Christen. Er breitet damit sinnbildlich seine Arme aus und schenkt uns die Freiheit, unseren Weg zu suchen, ihn auszuprobieren und zu gehen. Scheitern ist dabei inbegriffen. Egal, ob wir aufbrechen in ein neues Land oder ob wir am gewohnten Ort bleiben. Egal ob wir unsere Pläne zum Erfolg führen oder ob wir uns eingestehen müssen, dass wir uns verzockt haben.

Gott ist da. Bei ihm verlieren wir weder Gesicht noch Ansehen. Wir sind und bleiben Kinder Gottes, wir bleiben Königskinder.

Das macht Hoffnung, das macht Mut.

Amen.

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