Audiobotschaft vom 07.05. 2023 zum Thema Sünde

Liebe Cursillistas, liebe Freundinnen und Freunde unserer Audiobotschaften

 

Dieser Podcast basiert auf einem Vortrag von Richard Rohr über Paulus zum Thema Sünde. Die Jüngeren von euch werden zum Thema Sünde einen anderen Zugang haben als die älteren Semester. In diesen Tagen gibt es eine Diskussion darüber, ob die Erstkommunionkinder vorab ihre erste Beichte ablegen sollen. Nach diesem Podcast könnt ihr darüber nachdenken, ob sich eure Meinung dazu geändert hat.

Richard Rohr ermutigt die Zuhörer die Auffassung von Sünde, mit der wir aufgewachsen sind aus dem Fenster zu werfen, unsere Auffassung von Sünde ist juristisch, legal und individualistisch geprägt, wenn wir dies mit den Gedanken von Paulus zu diesem Thema vergleichen. Eines der Probleme der heutigen Zeit scheint zu sein, dass das Selbstbewusstsein mancher Menschen zwischen einem aufgeblasenem Zustand und einem geleertem Zustand schwankt, einerseits halten sich viele für enorm wichtig, wichtiger als sie tatsächlich sind, andererseits kommen sie mit dem Leben nicht zurecht, es ist zu kompliziert und zu schwierig für sie. Paulus hat versucht dieses hin und her zwischen aufgeblasen und ausgeblasen zu lösen, wenngleich er es nicht so beschrieben hat.

Trotzdem hat er eine zeitgenössische, aktuelle Auffassung von Sünde. Heute benutzen wir Begriffe wie kollektives Unterbewusstsein, Quantenphysik, Systemtheorie, Mysterium der Teilhabe, gesellschaftliches Bewusstsein. Das sind alles Worte des 20. Jahrhunderts und jedes von ihnen ist für seine Domäne näher an der Auffassung von Sünde des Paulus, als die individualistische, zerstörerische Auffassung von Sünde, die noch in den Köpfen vieler Menschen vorhanden ist. Niemand ist deshalb in diesem Spiel erfolgreich. Erstaunlich ist, dass in allen Briefen, welche wir mit Sicherheit Paulus zuschreiben, das Wort Vergebung nicht vorkommt.

Paulus spricht nicht von Vergebung. Er löst die Angelegenheit viel radikaler. Sein Wort an der Stelle von Vergebung ist Rechtfertigung. Das juristische Wort Freispruch kommt der Auffassung des Paulus vielleicht am Nächsten. Paulus ist wie eine Handgranate in die Mitte des Christentums geworfen, er spricht von einem universellen Freispruch. Gott löst das Problem der Unwürdigkeit des Menschen bevor es ihm überhaupt bewusst wird, dass er unter seiner Unwürdigkeit leidet. Richard Rohr benutzt gerne das Wort die „unmögliche Situation“ als Synonym für Sünde. Früher oder später begreifen die meisten Menschen, dass, wenn ein Mensch ehrlich zu sich selbst ist, wenn er sich selbst einigermaßen kennt, dass er sich in einer unmöglichen Situation befindet. Er erkennt die Widersprüche in sich selbst, dass er nicht richtig handelt, dass er irgendwie gefangen ist. Paulus sagt, dass wir versklavt sind, gefangen sind im Leib von Sünde und Tod. Leib bedeutet hier nicht den individuellen Körper, sondern den universellen Leib, so wie wir von der Kirche als Leib Christi sprechen. C.G. Jung und andere Lehrer der Psychologie haben ähnliches nach 2000 Jahren beschrieben.

Wir benutzen nun Worte wie das institutionelle Böse, strukturelle Sünde, zwangshafte Gefangenschaft, wie es auch die Päpste Johannes Paul II und Franziskus getan haben. Ann-Wilson Schaef, eine amerikanische Psychologin und Schriftstellerin, beschreibt die süchtige Gesellschaft der USA so. „Wir alle leben in einer „süchtigen“ Gesellschaft, wir akzeptieren die Illusionen, die uns vorgegaukelt werden, wir glauben an Dinge die zerstörerisch und sich selbst verteidigend sind, aber wir halten daran fest, obwohl sie nicht funktionieren und nicht gut sind. Das ist Sünde. Wir sind darin gefangen.“

Das Denken des Paulus besteht nicht darin, dass die Einzelperson schlechtes tut und diese deshalb ein Sünder ist. Nein! Für Paulus ist Sünde ein universelles Konzept – alle haben gesündigt, alle sind darin gefangen, sowohl die Juden, als auch die Heiden. Paulus geht es nicht um persönliche Schuld, um persönliche Sünde und um persönliche Erlösung. Das ist alles zu groß, zu schwer um vom kleinen Individuum getragen zu werden. Alleine kann ich weder das Schwergewicht der Sünde, als auch die Last des Ruhmes tragen, weder das eine noch das andere. Für Paulus geht es um die Teilhabe, um Solidarität, z.B. das gemeinsame Schuldbekenntnis am Beginn der Eucharistie und nicht um die kleine, persönliche Sünde. Das ist die große Freiheit, gemeinsam unsere Schuld zu bekennen und zu tragen.

Es geht also nicht darum, dass man alles richtig macht, sondern um Solidarität und Teilhabe am Geheimnis, nicht korrekt, sondern verbunden zu sein. In der Religion, in der wir erzogen worden sind, hat sich alles darum gedreht korrekt zu sein. Das ist nicht möglich. Paulus sagt uns: „Versucht gar nicht korrekt zu sein, sondern versucht in Solidarität mit dem Mysterium zu bleiben, versucht verbunden zu sein. Für Paulus geht es nicht darum jemanden zu imitieren, der außerhalb von uns ist, sondern teilzuhaben an jemanden, der in uns ist. Ich lebe nicht länger mich selbst, sondern Christus lebt in mir.“ In der richtigen Beziehung zu leben ist ganz anders als alles recht zu machen. Die juristische Auffassung von Sünde sollte verschwinden. Im Katechismus wird Sünde und deren Bestrafung eher wie eine Verhandlung vor Gericht behandelt. Das ist nicht biblisch.

Ein weiterer Ausdruck für Sünde ist das Leistungsprinzip, das unser Leben prägt. Wenn Du dein Leben auf das Leistungsprinzip aufbaust, so sagt Paulus, dann wird es dich immer, früher oder später, umbringen. Warum? Weil du nie deinen eigenen Idealen genügten wirst. Paulus löst das vom Beginn an indem er sagt: Ihr seid bereits bedeutend, ihr müsst es nicht mehr werden. Ihr seid etwas Besonderes, ihr seid Söhne und Töchter Gottes, euer Name ist bereits im Himmel verzeichnet. Jeder ist für sich selbst der schlimmste Feind, weil er nicht wirklich an das Evangelium glaubt.

Die Ostkirche beschäftigt sich kaum mit Schuld, sondern alles dreht sich um Vergöttlichung. Luther war von Schuld besessen, genauso wie viele andere Reformatoren. Hier ist Luther ein archetypischer Europäer, „alle“ Menschen waren zu seiner Zeit von Schuld besessen. In der katholischen Kirche und Lehre war und ist es leider nicht besser. Richard Rohr sagt: Sünde ist, wenn man sich an das bindet, was nicht Wirklichkeit ist. Für Paulus sind Sünde und Erlösung korrelierende Begriffe. Das ist sehr unterschiedlich zu unserem, juristischen Begriff der Sünde. Man erfährt Gott nicht, weil man unter allen Umständen Sünde vermeidet, man erfährt Gott oft dadurch, dass man unter der Sünde stöhnt, indem man darunter leidet, darüber weint. Im Kampf mit der Sünde erlebt man Erlösung. Man kommt nicht dadurch zu Gott, dass man alles richtig macht, sondern erstaunlicherweise dadurch, dass man Fehler macht. (Rö 7, 8)

Ich hoffe, dass euch Richard Rohr und Paulus dazu angeregt haben das Thema Sünde anders und differenzierter zu sehen. Wenn ja, dann freut es mich, wenn ihr mir, Sepp Vilsmeier, eine Nachricht schickt.

Zum Abschluss singen wir das Lied Nr. 90, Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben…..

Sepp Vilsmeier, Cursillo

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