Alle sind gleich von Sepp Vilsmeier am 10.11.2024

 

Audio Botschaft zum Brief an die Galater 3, 26 – 28

Liebe Freundinnen und Freunde der Audio Botschaften des Cursillo Mitarbeiterkreises der Diözese München und Freising. Mein Name ist Sepp Vilsmeier und ich werde mich in dieser Botschaft mit dem Brief des Apostels Paulus an die Galater beschäftigen, genauer gesagt mit Kapitel 3, Vers 26 bis 28.

Die Schriftstelle lautet:

26 Durch den Glauben und eure Verbindung mit Christus seid ihr nun alle zu mündigen Söhnen und Töchtern Gottes geworden. 27 Ihr gehört ganz zu Christus, denn in der Taufe seid ihr sein Eigentum geworden. 28 Jetzt ist es nicht mehr wichtig, ob ihr Juden oder Nichtjuden, Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen seid. Durch eure Verbindung mit Christus seid ihr neue Menschen geworden; ihr seid in Christus alle eins und vor Gott alle gleich.

Warum ist mir gerade diese Stelle so wichtig? Im November 2021 haben wir in der Pfarrei St. Heinrich in München die Tage der Glaubenserneuerung, kurz Pfarrkurs genannt, gehalten. Damals war meine Aufgabe unter anderem den Impuls zum Thema Kirche zu halten. Ich habe lange überlegt wie ich das machen kann, ohne mich in den Themen des Missbrauchs, der Hierarchie, der Weihe von Frauen zu Diakoninnen oder Priesterinnen zu verheddern. Da ihr ja wisst, dass ich ein Fan von Richard Rohr bin und Gott sei Dank habe ich mich daran erinnert, dass er diese Stelle oft zitiert. Er hält sie, genauso wie ich, für eine der zentralen Aussagen der Schrift.

Bevor ich auf diese Stelle genauer eingehe, werfe ich noch einen Blick auf die gesellschaftliche Situation im römischen Reich zur Zeit des Paulus. Es gab im wesentlichen drei Schichten, den Adel, die Plebejer und die Sklaven. Der Adel hatte großen gesellschaftlichen Einfluss, war in der Regel sehr reich und hatte oft große Besitztümer. Die Plebejer, das waren die freien römischen Bürger, meist Bauern und Handwerker. Als römische Bürger hatten sie entsprechende Rechte, konnten sehr arm, aber auch sehr wohlhabend sein, ihr Einfluss in der Gesellschaft war dementsprechend. Die Sklaven hatten keinerlei Rechte und mussten ihren Herren und Herrinnen stets zu Diensten sein. Es gab immer wieder Sklavenaufstände. Die Frauen und Kinder waren den Männern untergeordnet, sie waren nicht geschäftsfähig, außer als Witwen ohne männliche Nachkommen. Einige Frauen am Kaiserhof und dem Hochadel waren durchaus einflussreich. Diese Darstellung ist sicherlich vereinfacht, trifft aber den Kern der römischen Gesellschaftsordnung. Die Verhältnisse im Judentum waren ähnlich, also auch eine patriarchalische Gesellschaftsordnung.

In diese Zeit hinein schreibt Paulus den Brief an die Galater. Zuerst stellt er fest, dass auf Grund ihres Glaubens und der Verbindung mit Christus alle mündige Söhne und Töchter Gottes sind. Das Zeichen für die Nachfolge ist für Paulus die Taufe, durch die Christen mit dieser Würde ausgestattet sind. Das ist der erste Hammer, da zu dieser Zeit nur wenige Menschen mit Würde ausgestattet waren. Paulus sagt nun allen Getauften diese Würde zu.

Aber der nächste Hammer folgt sofort. Er sagt, dass es nicht mehr wichtig ist, ob jemand Jude oder Nichtjude ist, Sklave oder Freier, Mann oder Frau ist. Damit sagt er, dass es nicht relevant ist welcher Glaubensrichtung jemand vor seinem Bekenntnis zu Christus angehört hat. Ob jemand reich ist und wirtschaftliche Macht hat, ist ebenso unwichtig als wie jemand, der bettelarm ist und keine Geschäfte machen kann. Und als ob das alles nicht genug wäre sagt er auch noch, dass es keine Rolle spielt, ob jemand Mann oder Frau ist. Das ist ein Affront gegen die hierarchische Weltordnung, der es in sich hat. Die getauften sind neue Menschen geworden und in Christus sind alle eins und alle vor Gott gleich, das ist das euphorische Empfinden unter den ersten Christen der Urgemeinde. Es muss so gewesen sein, dass dann, wenn sich die Christen in ihren Häusern zum Brotbrechen trafen, all diese Unterschiede nicht mehr spürbar waren. Nur so ist es zu erklären warum sich das Christentum so schnell ausgebreitet hat. Die gesellschaftlichen Unterschiede, die Ungleichheiten und die Ungerechtigkeiten sind in der Gemeinschaft der Christen nicht mehr spürbar und relevant. Nach ihren Zusammenkünften mussten die Christen in der realen Welt jedoch feststellen, dass sich diese Strukturen natürlich nicht geändert hatten.

Wir wissen auch, dass dieser Zauber des Anfangs sehr schnell wieder verflogen ist. Schon zu Lebzeiten des Paulus muss dieser Gemeinden ermahnen, dass beim gemeinsamen Mahl alles geteilt wird und die Reichen die mitgebrachten Spezialitäten nicht für sich behalten dürfen.

Vereinfacht kann man sagen, dass spätestens ab dem Zeitpunkt, als das Christentum Staatsreligion wurde, diese Praxis des Eins- und Gleichseins weitestgehend verschwand. Hierarchie, gesellschaftlicher Rang und Geschlecht wurden wieder maßgebend.

Ich will nicht auf die Zustände schimpfen, sondern jetzt auch auf einen jeden von uns schauen. Leben wir unser Christsein so, wie es uns Paulus als Vorgabe dargestellt hat. Ich bemühe mich, aber es gelingt mir bei weitem nicht immer. Der Anspruch bleibt groß, für jeden Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes. Was würde Paulus heute noch aufführen. Es spielt keine Rolle ob jemand Deutscher oder Migrant ist, Mensch mit Behinderung oder ein Gesunder ist, weiße oder andere Hautfarbe hat, sowie welcher sexueller Orientierung er ist. Ihr könnt noch gerne über eigene Beispiele nachdenken, welche Paulus heute benennen würde.

Ich meine, dass man aus heutiger Sicht noch einen Schritt weiter denken muss als Paulus, der ja auch Kind seiner Zeit war. Seine Aussagen im Galaterbrief sind großartig, aber würden wir heute seine Einschränkung, dass dies nur für die Getauften zutrifft, aufrecht erhalten. Ich glaube nein, sondern das sollte für alle Menschen gelten, die im Geiste Jesu leben und handeln. Nicht mehr Ausgrenzung ist angesagt, sondern Inklusion.

Zum Schluss möchte ich noch positiv anmerken, dass diese Stelle des Galaterbriefs im Laufe der Jahrhunderte ihre Kraft und Sprengkraft nicht verloren hat, sondern dazu beigetragen hat, dass wir gesellschaftlich dort stehen wo wir augenblicklich sind. Vieles hat sich zum Besseren verändert und ich wünsche mir, dass jeder von uns seinen Beitrag dazu leistet das Rad nicht mehr zurückzudrehen. Im Gegenteil: die kühnen Aussagen von Paulus sind noch lange nicht Wirklichkeit.

Ich wünsche euch noch einen schönen Sonntag und eine gute Zeit.

Euer Sepp Vilsmeier

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