Podcast am 13.10.24 von Anita Eder zu Mk 10, 17-30 Gelingendes Leben
Ich begrüße Euch alle herzlich zu meiner Audiobotschaft mit dem Thema: „Das Ziel des Lebens – ist das Leben selbst“. Ich bin Anita Eder und Mitarbeiterin im Cursillo München.
Zirkus fasziniert! Im Zirkus bestaunen wir Dinge, die uns im normalen Leben nie gelingen würden.
Zirkus fasziniert kleine und große Menschen. In München gibt es den Zirkus Krone als feste Einrichtung. Ausschnitte aus dem Programm vom Cirque de Soleil konnte ich in Madrid auf kleiner Bühne hautnah erleben. Und dann bestaunte ich die hohe Kunst des Chinesischen Staatszirkus im Fernsehen. Akrobatik und Körperbeherrschung waren atemberaubend und schön. Die Erinnerung an einzelne Darbietungen verblasste zwar mit der Zeit, dagegen hat sich aber etwas anderes ganz tief in mein Gedächtnis eingegraben. Jede der Vorführungen wurde beim Chinesischen Staatszirkus nämlich nicht mit einer schmetternden Fanfare angekündigt – nein – in die erwartungsvolle Stille hinein erklang ruhig und konzentriert, mit etwas gehobener Stimmlage, der Wunsch: „Möge die Übung gelingen!“. Jede Übung wurde auf diese Weise eingeleitet, als Zuspruch, als guter Wunsch, als Mantra, als Segen? Es war beeindruckend einfach. Die hohe Erwartungshaltung wird nicht gedimmt, doch deutlich in einen menschlichen Rahmen gestellt: nicht Ein es muss – muss – muss gelingen, sondern Ein es darf – es soll – es wird gelingen. Und jeder Künstler gibt sein Bestes.
Das ist auch in unserem alltäglichen Leben gefragt, denn was soll uns nicht alles gelingen im Leben? Ich denke da zum Beispiel an den Schulabschluss und den Berufseinstieg, an Partnerschaft, Wohnungssuche und Umzug und, und, und – eigentlich das ganze Leben!?
Und das Leben als Ganzes? Eine schwerwiegende Frage! Wie kann es gelingen? Wir alle haben Hunger nach Leben, nach gelingendem Leben. Und so lautet die Frage im heutigen Evangeliumstext (Mk 10,17) frei übersetzt: „Was muss ich tun, damit sich meine Lebenshoffnungen erfüllen und mein Leben gelingt?“. Äußerst sympathisch finde ich, dass dieser Fragesteller gleich von sich selbst spricht. Er will wissen, was er selbst tun kann.
Ist Dir schon einmal aufgefallen, wie viele Empfehlungen und Ratgeber es gerade zum Thema Lebensführung gibt? Diese Sparte boomt nicht nur im Buchhandel, auch Zeitschriften und Internetforen sind voll davon. Und eigentlich ist das auch ganz verständlich, denn es geht ja um das Kostbarste das wir haben – unser eigenes Leben. Ratgeber fürs Leben: Welche suchst Du Dir?
Der Fragesteller im Bibeltext wendet sich an Jesus. Er hält ihn wohl für kompetent in Lebensfragen. Und dann spielt Jesus genau diesen Ball zurück, sowohl in Bezug auf die Anrede als auch in der Art der Antwort. Er ruft dem Fragenden in Erinnerung, dass dieser selbst weiß, wie Leben geht, wie Leben gut wird: mit den ethischen Grundprinzipien, den elementaren Geboten des sozialen Miteinanders wie: nicht töten, nicht stehlen, nicht lügen und betrügen… Du kennst sie doch, so sagt Jesus zu ihm. Du selbst hast die Erfahrung und die Kompetenz für dein eigenes Leben.
Und damit ist die Eingangsfrage abgeschlossen. Hier könnte das Gespräch zwischen dem Ratsuchenden und seinem Ratgeber zu Ende sein. Aber beide verweilen!
Manchmal passiert nämlich etwas, das sich so anfühlt als würde das Leben selbst plötzlich in Dein Leben einbrechen. Ganz deutlich erleben wir das, wenn wir uns verlieben. Da begegnet uns das Leben und eröffnet uns ganz neue Möglichkeiten. Auch ein Gespräch, ein Erlebnis oder eine Begegnung kann so etwas bewirken. Da wird Leben lebendig spürbar – aber auch herausfordernd!
In unserer biblischen Geschichte ist es ein unerwarteter Vorschlag, der den Mann vor eine Entscheidung stellt. Jesus möchte ihn in den Kreis seiner nächsten Mitarbeiter aufnehmen. Er soll also sein geordnetes Leben samt seinem Besitz zurücklassen und mit ihm unterwegs sein.
In der Serie „The Chosen“ gibt es eine ähnliche Szene, die auf sehr berührende Weise darstellt, wie schwer so eine Entscheidung ist, weil Herz und Verstand oder auch andere Motive nicht in Einklang gebracht werden können. Dort ist es die Person des Ratsherren Nikodemus, die fast daran zerbricht. Hier ist es der Fragesteller, der betrübt und traurig weggeht. Er würde wohl gerne mitgehen, aber zu viel hält ihn zurück.
Als großes Hindernis wird hier ausdrücklich der Reichtum benannt. Besitz, Sicherheit und Privilegien schotten wohl eher ab als dass sie uns freier und lebendiger machen. In vielen Ländern der Erde gibt es Guarded Communities, abgesperrte und bewachte Wohnbereiche. Gesehen und erlebt habe ich sie in Kamerun, in Südafrika und in Indien. Zutritt hat nur, wer dazu gehört.
Ganz anderes habe ich erlebt, als ich mit ein paar Freundinnen unterwegs war. Wie leicht ist es einer jungen Familie gefallen, uns fremde Rucksackreisende für eine Nacht in ihr Haus aufzunehmen. Das Haus gab es schon, nicht aber teure Einrichtung. Der Estrich war gerade fertig, im Zimmer stand einsam ein wärmender Ofen. Meine Freundinnen und ich nahmen glücklich die Gastfreundschaft an, denn Geld hatten wir damals so gut wie keines. Es wurde eine herzliche Begegnung daraus. Auch in den Scheunen der Bauern um Exeter fanden wir freundliche Aufnahme, nur verbunden mit der eindringlichen Mahnung, ja kein Feuer zu machen. Da gab es gegenseitiges Vertrauen, ein sich Einlassen auf die ungewöhnliche Situation. Eine Familie hat uns sogar am Sonntagmorgen mit einem richtigen Frühstück in der Scheune beschenkt – einfach so – und wir begleiteten sie dann zu ihrem Gottesdienst – einfach so. Sie waren Methodisten und wir fuhren mit Traktor und Anhänger zur Gemeinde. Es gab ein großes Hallo und wir hätten ihnen keine größere Freude machen können. Manchmal ist Leben so spannend und weit und einfach.
Was macht Dein Leben reich, weit und erfüllt? Und welcher Reichtum, welche Wichtigkeit blockiert und besetzt Dich im Leben?
Alte Menschen und Sterbende erinnern uns mit ihrem Lebensresumee daran, was wirklich wichtig war oder eben gewesen wäre. Besitz und Arbeit kommen da kaum vor, dafür stehen Beziehungen und ihre Pflege ganz oben auf der Liste.
Viel hängt auch davon ab, ob es gelingt, zu sich selbst zu stehen und den eigenen Weg zu gehen. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist der Mongole Zolbayar Lobsang, der nach Studium und 20 Jahren Universitätsprofessur in Deutschland und der Mongolei endlich seinen Traumberuf verwirklichte und Busfahrer wurde. Seine Eltern hatten sich die hohe Ausbildung in Deutschland für ihn gewünscht und unter Mühen finanziert. Erst nach ihrem Tod gelang ihm, was er die beste Entscheidung seines Lebens nennt.
„Viel mutiger würde ich sein, wenn ich noch einmal anfangen könnte zu leben.“ Dieser Aussage begegnet man oft. Mut und Zutrauen, Zutrauen zu sich selbst und Zutrauen zum Leben, die „hat“ man nicht einfach, die kann man nur wagen.
Vielleicht ist genau das der springende Punkt: Wir trauen uns zu wenig! Und müssen dann „betrübt und traurig“ wieder gehen, so wie es die Episode im Markusevangelium spiegelt. Das Ziel des Lebens ist nicht Sicherheit. Das Ziel des Lebens – ist das Leben selbst. Leben in Fülle.
Dazu lädt Jesus immer wieder ein. Darin ist er der Lebensmeister. Darin bin ich seine Schülerin – und ich bin es gern.
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